quarta-feira, 11 de julho de 2012

Kommt nach dem Neo-Liberalismus der Neo-Feudalismus?

60 Jahre ist es nun her, daß Frantz Fanon “Die Verdammten der Erde” schrieb. Wer hat es gelesen, wer hat seinen Sinn verstanden? Was solls? Wir Österreicher haben nie Kolonien gehabt in Afrika. Also kann man uns auch keine unsauberen Geschäfte mit korrupten Eliten Afrikas in unsere gut gewichsten Haferlschuhe und Goiserer schieben. Außerdem kommen wir braven Österreicher sowieso alle alle direkt in den Himmel!

Während mir nun der Begriff “Neo-Kolonialismus” im Mund und im Hirnkastel herumrollt, greifen meine Gedanken etwas weiter aus und kommen zum Sturm auf die Bastille, an einem Julitag vor über zweihundert Jahren. Viele feudale Regimes sind seither gefallen und durch weniger “noble” Herrscher ersetzt worden. Es kam zu neuen Diktaturen, zum Kommunsimus, zum Sozialismus und sonstigen “Ismen”, die die Menschheit zu erfinden imstande war. Wir Österreicher hatten irgendwann den Bruno Kreisky und mindestens einen Betriebsrat pro Quadratmeter Fabriksboden.

Wenn auch neue Gesichter die Macht über- und neue Gesäße den Vorsitz eingenommen haben, die Methoden änderten sich kaum, oder nur unwesentlich. Wenn wir auch schon Fanon nicht gelesen haben, so doch George Orwell und seine “Animal Farm” und wie alle jungen braven Österreicher den Kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupéry.

Wann wird der Mensch wirklich Neues lernen, und den nötigen Mut haben, Neues auszuführen; Oppression ist Unterdrückung, egal wer sie ausübt! In meiner Kapfenberger Jugendzeit litt ich unter dem roten Antiklerikalismus der Böhlerstadt und war als “Pfaffenbruder” verrufen, weil ich bei der KAJ war. Wenig später und bereits als Entwicklungshelfer, im öden Hinterland Nordostbrasiliens, war ich das schwarze Schaf, der Antichrist, weil ich es wagte, an der monastischen Hierarchie meines Projekts zu rütteln. Das boshafte Schicksal hatte mich zu einer brasilianischen Filiale des Schlierbacher Zisterzienserordens gebracht, um jungen Semianalfabeten die Schlosserei, Dreherei und Schweisserei beizubringen. Ich rechnete damals mit allerlei drittweltlicher Unbill und robinsonartigen Schwierigkeiten. Mit einem überaus autoritären Abt aus dem Innviertel aber nicht. Die Zwangsjacke hatte nur die Farbe gewechselt.

Binnen weniger Jahre erlebte ich sowohl den Sozialismus, in einer alpenländischen Stadt, die in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts den Spitznamen “DDR Österreichs” trug, als auch eine feudale Gesellschaft in Bahia, und zwar als einziger “Städter”, da alle anderen im Projekt arbeitenden Österreicher – Mönche und Entwicklungshelfer – vom Land kamen, und außer mir die einfache Hierarchie eines Bauernhofes gewohnt waren.

In Südamerika, genau genommen in Brasilien lebte ich bis 1985 unter einem Militärregime. Danach erlebte ich Versuche der Demokratie und seit Anfang des Jahrtausends regiert mehr oder weniger die Arbeiterpartei und deren Konsorten. Inzwischen gab es in anderen Ländern Lateinamerikas Diktaturen, diese wurden durch mehr oder weniger wackelige Demokratien abgelöst. Wackelig, weil unsereiner den Druck der Mächtigen spürt, die scheinbar nur vorübergehend und ungern das Zepter vermietet haben.

Als unlängst der Präsident von Paraguay im Schnellverfahren und binnen weniger als 24 Stunden “putschartig” der Macht enthoben wurde, erwachte ich, aus meinem Mund drang das Wort: “Neo-Feudalismus”, und ich sah, wo überall die Zaren veralterter Gesellschaftsmodelle am Ast ihrer legitimen Nachfahren sägten. Die vom Kandidaten der konservativen und korrupten PRI-Partei gewonnenen Präsidentschaftswahlen Mexikos bekräftigten dieses Gefühl.

Neben Paraguay´s “Ajatollahs” lügen die Medien Brasiliens und Argentiniens wie gedruckt, beklexen das Image linker Regimes, wie die von Venezuela, Bolivien, Ecuador, Nicarágua. War Barck Obama nichts weiter als ein “boi de piranha”, ein Ochse. der beim Überqueren eines Nebenflusses des Amazonas den Piranhas geopfert wird, damit die restliche Herde ungestört und vollständig das gegenüberliegende Ufer erreichen kann? Der Vergleich ist schlecht, um auszudrücken, wie mächtig die feudalen Herren weiterhin sind. Womöglich auf Grund der “schöngeistigen” Elite Lateinamerikas, von der Kraft des Geldes ganz zu schweigen.

Werden wir in absehbarer Zukunft den Neo-Feudalismus ertragen müssen? Wann löst Zürich Brüssel ab?

segunda-feira, 16 de abril de 2012

Frühlingsgedanken

Drittweltliche Gedanken über den Frühling.

Früher erkannten wir den Frühling an den immer länger werdenden Tagen; am Gesang der Amseln auf dem Weg zur Schule, zur Arbeit; am Geruch der feuchten Erde nach der Schneeschmelze; am "Ausschlag" der Bäume; an den kleinen "neuen Erdäpfeln" beim Röhrlsalat...
Auf dem Weg von heimischen Bergen nach Italien waren wir vor der Abreise noch auf den nahen und unverdreckten Wiesen mit dem halbrunden Messerl unterwegs um Röhrlsalat zu stechen. In den Tälern und Niederungen blühte schon der Löwenzahn und irgendwo zwischen Bozen und Kaltern schauten wir nur noch auf die bereits abgeblühten und weissgrauen Sporenkugeln jener allerersten Boten des Frühlings.

Früher fühlten wir auch deutlich wie es jeden Tag wärmer wurde. Es sprossen die Tulpen und die Narzissenköniginnen, und es blühten die Kirsch -, und die Marillenbäume, die es - im Vergleich zu heute - noch in großer Menge gab.
Mit jedem Tag wuchs die Gewähr, daß Winter und Frost nun endlich vorbei und besiegt waren. Diese Gewißheit dauerte mindestens bis Ostersonntag oder 1. April. Dann schneite es wieder. Wir glaubten aber weitgerhin und unbeirrt an Schönwetter und Sommer.
Irgendwann wurden wir dann doch belohnt, und wir konnten den Wintermantel in den Kleiderkasten hängen und das schwere Schuhwerk weglegen.

Heute erkennen wir den Frühling mit dem plötzlichen Auftauchen bekannter Gesichter. Leute, die wir seit Ende des vergangenen Sommers nicht mehr gesehen hatten, beleben nun wieder leidlich und einigermaßen die sonst menschenleeren Straßen und Fußgängerzonen unserer Geburtsorte.
Der Lenz bringt nun wieder Hinz und Kunz aus Mallorca, Anton und Pauline aus Gran Canária, den Sepp und die Rosi aus Algarve, sowie den Franz und die Lotte aus Marbella. Wer die kalte Jahreszeit im sonnigen Süden Europas, oder gar irgendwo in den Tropen und in Übersee verbachte, sparte nicht nur Heizkosten, sondern versäumte auch das langsame Wiedererwachen der Natur in der Heimat. Etwas, das an die Dezembertage unserer Kindheit erinnert, als wir frühmorgens das neue Fensterl des Adventkalenders öffnen durften.

Die stets während des Winters Abwesenden kennen die Zweifel nicht, die die Daheimgebliebenen mit jedem Einbrechen einer neuen und eisigen Schlechtwetterfront erfahren. Das sind Schicksale wie jene, die Einheimische von Immigranten unterscheiden. Vielleicht kennen diese opportunistischen "Schönwetterlandsleute" nicht einmal die Zweifel ob den von den Österreichischen Behörden ins Winterdomizil nachgeschickten Renten und ins Ausland überwiesenen Pensionsgelder.

Irgendwie erinnern mich diese "Deserteure" und "Saisonsfahnenflüchtigen" an Bekannte, die von heute auf morgen ihr telefonisches Festnetz aufgegeben haben und nun nur noch per Cellphone erreichbar sind. Sie denken weder an die Zeit, als es galt, für den Winter vorzusorgen und pro Haus und Wohnung etliche Festmeter Holz zu kaufen und drei bis vier Tonnen Kohlen einzulagern, Lebensmittel einzukochen, Konserven vorzubereiten, noch an Freunde und Bekannte, die nun ausserstande sind, sie anzurufen, mit ihnen zu telefonieren... Wenn diese schließlich das virtuelle Telefonbuch befragen, bemerken sie, daß der "Herold" nicht immer Auskunft geben kann. Der eine Freund oder die andere Bekannte bleibt dann wie von einer Lawine verschluckt.

Auch fallen in der Karwoche keine Ostergrüße ins Postkastel wie früher. Es hüpfen höchstens vorgefertigte und virtuelle Grußkarten auf dem Bildschirm auf und ab. Alles drängt nach "HD", nach high definition. Der Inhalt wackelt weit abgeschlagen hinterher. Wehe dem, der es wagt, einen "Schmäh" in seinem Text unterzubringen und zu verstecken, wie so manches bunte Osterei.. Er wird nicht mehr gefunden... es sei denn, es klebt ein ganz Schlauer eins jener gelben Gesichter hinter die mehr oder weniger ulkige Pointe, oder fügt ein "lol" oder ein "kkkk" hinzu.

Frühling paßt nicht mehr zur Gewißheit der heutigen Tage! Der moderne Lebenswandel verlangt nach immerwährendem Sommer. In Lignano, in Thailand, in Viña dem Mar, oder wo es gerade warm genug ist und unsereiner neben dem Ozean mit einem Meer von Sonnenschirmen, Liegestühlen und Strandkneipen rechnen kann.

Salvador, 16. April 2012, wo es auch keinen Frühling gibt

Reinhard Lackinger

segunda-feira, 19 de março de 2012

Migrant sein macht frei

In den ersten Tagen, Wochen und Jahren nach der Ankunft im neuen Land fühlt sich der aus Mitteleuropa stammende Immigrant, als wäre er mit dem Schachbrett unterm Arm in einen Freistil-Zwinger geraten.
Die Spielregeln, so fern es sie gibt, sind flexibel, Schieds- und Punkterichter parteiisch.
Wenn schon kein erklärter und ostensiver Fremdenhaß, dann doch ein wenig Neid. Auch wenn es nichts zu beneiden gibt.
Diese Mißgunst entspringt einer vermeintlichen Bedeutungslosigkeit.
- Recht geschieht es diesem Gringo! Was hat er hier verloren...!"
Anderen wiederum ergeht es wie einem Kerl, der auf einer Spazierfahrt durch die Parkanlagen eines Kurortes mit Planierraupe oder Panzer unterwegs ist. Womöglich mit Klima-und Steroanlage. Bezahlt mit Geld, das er in der Heimat schuldig blieb. Bei Freunden, Verwandten, beim Finanzamt, bei der Justiz.

Der Gedanke an Gulliver liegt jedenfalls nahe. Bei allen Fremden. Besonders in der ersten Zeit und in einem möglichst exotischen Ausland. Da erscheinen dem ahnungslosen Immigranten die Schwierigkeiten der neuen Umwelt einmal wie Zwerge, ein anderesmal wie Riesen. Auch Yahoos und andere fabelhafte Wesen gesellen sich mitunter dazu. Figuren, wie die plötzlich aus dem Nichts hervorschnellenden Fratzen und Gestalten einer Geisterbahn.

Diese Betroffenheit sehe ich im Gesichtsausdruck derjenigen, die sich heute in ihrer neuen Heimat zu orientieren suchen.

Als ich 1969 als Entwicklungshelfer nach Brasilien kam, flohen gerade viele vor der Militärdiktatur nach Chile, nach Schweden, nach Cuba. Später, nach der ersten Energiekrise, vor der wirtschaftlichen Ausweglosigkeit und dem Monster der Inflation nach Nordamerika, nach Europa. Jetzt kommt ein Teil davon wieder zurück.
Friedel Peinhopf flüchtete vor der Arbeitslosigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg nach São Paulo. Jandir Crestanis Urgroßeltern flohen 1878 vor dem Hunger im Trentin nach Südbrasilien. Helga Bürgers Vorfahren bereits1825 aus Pommern. Adler, Feinstein, Rabinowitz und viele andere Juden kamen in den Jahren 1930 nach Südamerika. Bruno Tittel und alle anderen Seeleute der Deutschen Handelsmarine, deren Schiffe während des Krieges zufällig an der Küste Brasiliens vor Anker lagen, wurden festgenommen. Viele davon, nachdem sie ihre Freiheit wieder genießen durften, zogen es vor, im Land zu bleiben.
So auch ich, nach dem vorzeitigen Abbruch meines Einsatzes als Entwicklungshelfer.
So wie Brasilien, Kanada, USA und Australien, war auch Österreich bereits Ziel unzähliger Migranten. Auch heute kommen noch viele Ausländer in die Alpenrepublick. Was hat sich geändert in den letzten Jahrhunderten?

Im Wien der jungen Donaumonarchie liefen die Fäden fremden Brauchtums aus allen Kronländern zusammen, wurden zu einem dichten und reichen Kulturgewebe.
Das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen beschert dem Alltag Konflikte. Das "anders Sein" des Zugereisten stört. Es hinterfrägt aber auch den eingefleischten modus vivendi, rüttelt am status quo. Es ergibt sich für einen Moment die einzige Möglichkeit, über den eigenen Schatten zu springen!
Der ethnische Reibebaum trägt köstliche Früchte!
Mit oder ohne Absicht nähert sich der eine dem anderen!
Auf diese Art hüpften Notenzeichen, mit und ohne Hals und Fähnchen aus allen Ecken des Kaiserreiches auf und zwischen die fünf parallelen Linien von Partituren, machten Wien zur Musikhauptstadt der Welt.
In unserer kleinen altösterreichischen Taverne in Brasilien teilen heute noch Liptauer, Tafelspitz mit gerösteten Erdäpfeln und Semmelkren, Rindsgulasch und Powidltatschkerln die Oberfläche der Tische.

Ohne Konflikt, ohne ein "auf einander Prallen" unterschiedlicher Werte ist keine Hochkultur möglich.
Betontes Vermeiden dieser Konflikte führt zu Fremdenhaß. Wie das aussieht, wissen wir. Müßten wir wissen! Die Älteren von uns erinnern sich vielleicht noch an die Zeit, als dieses "Verschweissen" der Kulturen nicht mit guten Augen gesehen wurde. In Deutschland und Österreich Geborene und Aufgewachsene verschwanden plötzlich aus der Nachbarschaft. Nicht alle erreichten Amerika. Von denjenigen, die zu Hause von uniformierten Männern abgeholt wurden, glaubte der eine oder die andere, daß sie vorübergehend in Kurorten weilten.

Etwa zur selben Zeit und aus ähnlichen Motiven kamen die Eltern vieler unserer Mitbürger aus Südwesteuropa. Landschaftsnamern wie Batschka, Banat und Bukowina schwirren immer noch grenzenlos in meinem Kopf umher.
Wir hatten wieder jene Konflikte, die aus dem Miteinander anders aussehender und sich anders benehmender Menschen sprießen. Wir hatten auch Neid, weil die "Volksdeutschen" aus dem Barackenlager früher in eine Neubauwohnung ziehen durften als manche Ortsansässige.

Das alles ist nun Gott sei Dank Vergangenheit!Schwarzafrikaner, Sinti und Roma werden zwar hin und zwieder verfolgt und gemeuchelt, wir sagen aber Gott sei Dank nicht mehr "Neger" bzw. "Zigeuner". Das wäre politisch unkorrekt!

Jeder Migrant, ein Schicksal, eine Lebensgeschichte und eine Hoffnung auf Befreiung. Frei sein von Hunger und Not, frei sein von politischer und religiöser Verfolgung, frei sein von der starren Enge der Belanglosigkeit.
Ein Bände füllender Stoff, dieses scheinbar verständliche, aber doch mysteriöse Kommen und Gehen.

Nachdem ich einst 18 Stunden mit dem Zug nach Genua reiste, neun Tage mit dem Schiff nach Rio de Janeiro unterwegs war und dann noch 30 Stunden mit dem Bus ins Landesinnere von Bahia und die letzten 40 km durch ödes Weideland fuhr, das mich an die Kupferstiche eines Märchenbuches erinnerte, kam ich nicht wie erwartet in einem tropischen Paradies an, sondern es war mir, als wäre ich nach etwa 10.000 km Reise wieder in meine alte Heimat zurückgekehrt. Ins Österreich des achzehnten Jahrhunderts. Der mittelalterliche Albtraum meiners Einsatzortes dauerte 18 Monate. Dann war ich frei! Ich tauschte, was ich als oppressive Kleinlichkeit erfuhr, gegen die Freiheit, schutzlos zu sein. Als naiver Österreicher war ich anfangs und ohne Nabelschnur zu Österreich eine leichte Beute für brasilianische Schlitzohren. Dank meines tüchtigen Schutzengels kam ich aber immer mit einem blauen Auge davorn. Nie würde ich meine Freiheit, meine politische Unabhängigkeit gegen den Goldenen Käfig der sozialen Gewißheit Mitteleuropas tauschen. Ich bereue keine Minute meines Lebens als Ausländer und sehe mit Optimismus in die Zukunft. Morgen ist ein neuer Tag mit unbestimmten Schwierigkeiten, Konflikten und neuen Freuden. Ich lebe hier in Salvador unter Stiefkindern einer ungerechten Gesellschaft. Nicht mehr im Mittelalter, sondern scheinbar in Tombstone und Dodge City. Das entnehme ich den lokalen Tageszeitungen, die von 7 bis 11 Morden berichten, die täglich in unserer Stadt begangen werden. Ich fühle mich aber trotzdem nicht unsicher. Weiß der Kuckuck warum! Ich habe Freunde, als Beislwirt habe ich Gäste, die zu Freunden geworden sind. Ich habe auch Feinde. Nachbarn meiner Gaststätte, aber auch Politiker, die nicht gerne lesen, was ich schreibe und nicht gerne hören, was ich sage!
Ich denke, das gehört zur Freiheit des Menschen! "Vogelfrei" und Freiwild zu sein bedeutet auch Freiheit und Befreiung!

Ich wünsche von ganzem Herzen, Mitteleuropa möge von den Migranten, von den ins Land strömenden Immigranten lernen.
Ich wünsche von ganzem Herzen, Mitteleuropa möge den Migranten begegnen, ohne diese zu ignorieren und an ihnen vorbei zu schauen.
Ich wünsche von ganzem Herzen, Mitteleuropa habe den Mut, wiederum den Konflikt zu erleben, den jenes Miteinander mit sich bringt... Wie der Schichtarbeiter, der in die eisige Nacht hinaus tritt, um zur Arbeit zu gehen.
Ich wünsche von ganzem Herzen, Mitteleuropa mache aus Migranten Partner anstatt Bettler und Schmarotzer. Von letzteren gibt es in den eigenen Reihen genug!

Wenn ich die Gesten und Redensarten meiner österreichischen Vorfahren vom Land, von der Einschicht, aus dem Bäuerlichen mit meinen städtischen Kaffeehausgepflogenheiten vergleiche, komme ich mir auch vor wie ein Migrant, wie ein Immigrant!
In den Ohren meiner Erinnerungen hört sich die Mundart der Volksdeutschen nicht fremder an als Mutters Sprüche aus alter und einfacher Zeit, wenn ich junger Dummkopf ihr mit meinem "schöngeistigen" Stuß auf die Nerven ging. Daran erinnere ich mich alter Esel, glaube im Wesen meiner jahrhundertelang geknechteten Brasilianer jene meiner schutz - und betriebsratlosen Vorfahren wieder zu finden.
Bedingungsdloses "Frei-Sein" mit unabhängiger Klugheit geht vor Arithmetik! Auch Araber und Índios kennen das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm. Schwarze Zarastros hatten wir bereits. Monostatos "sowieso"! Irgendwann wird auch ein dunkelhäutiger und negroider Tamino nicht mehr unangenehm auffallen!"

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit..."

Reinhard Lackinger

sábado, 11 de fevereiro de 2012

Buchpräsentation in Salvador, Bahia

Direkt vom thematischen, altössterreichischen Beisl in Salvador, Strandviertel Porto da Barra

Ein Bild sagt angeblich mehr als 1000 Wörter!

https://picasaweb.google.com/lh/sredir?uname=mabbehusen&target=ALBUM&id=5703991867085201665&authkey=Gv1sRgCJzoyJ-L1OmXqAE&feat=

Nur auf die Bilder klicken und dann nach vorne oder nach hinten weiterklicken

Viel Vergnügen!

Reinhard Lackinger

segunda-feira, 19 de dezembro de 2011

Weihnachtsgeschichte "Der Grüne Kilian"




"Als ich Christtagsfreude holen ging" lautet der Titel meiner Lieblings-Weihnachtsgeschichte. Sie stammt aus Peter Roseggers Waldheimat, unweit meines Geburtsortes Kapfenberg.
Es geht dabei um den Bericht des zwölfjährigen Waldbauernbuben, den der Vater in dunkler und eisiger Herrgottsfrühe ins Tal und in das Dorf Langenwang schickt, um Schuldgelder einzutreiben und damit Lebensmittel einzukaufen. Ingredienzien für die Weihnachtsschleckereien. Auf dem Rückweg trifft er den Grünen Kilian, einen Asozialen, wie man heute sagen würde. Dieser hilft dem Peterl beim Tragen der Waren. Beide gehen eine Weile nebeneinander, als der grüne Kilian immer schneller durch den verschneiten Weg stapft und der Waldbauernbub schon nicht mehr mitkommt und zurückbleibt. Ein Kutscher hilft dem Peterl schließlich, vom grünen Kilian die Lebensmittel zurückzufordern. So kehrt der Bub mit seinen weihnachtlichen Siebensachen in seine traute Waldheimat zurück.

Ein Auge auf jene Fischbacher Alpen mit Langenwang, Krieglach und Alpl, aber auch mit Kapfenberg gerichtet, während das andere auf meine Wahlheimat Salvador blickt, sehe ich nicht den Waldbauernbuben sondern den grünen Kilian als Hauptperson der Erzählung.
Was wohl geht in Hirn und Herz derjenigen vor, die sich ausgegrenzt und abseits sozialer Gerechtigkeit fühlen? Was bringt den grünen Kilian dazu, mit den Lebensmitteln im Korb davonzueilen? Wie viele Kinder hat er in seiner Hütte, und wie wenig um deren Hunger zu stillen? Wie gerecht ist unsere Gesellschaft? Wie gehen einem derart pamphletarische Sprüche auf die Nerven?
Soll er doch arbeiten der grüne Kilian und sein eigenes Geld verdienen!

Im Traume stoß ich auf einen Urururenkel des grünen Kilians. Der ist ein guter Schifahrer, hat aber noch nie ein Rennen gewonnen. Ein Verlierer also. Genauso wie sein Urururgroßvater. Er erzählt mir von seinen Faßdauben, mit denen er über Stock und Stein von seiner Fischbacher Hütte ins Tal jagt. Er spricht von mehr oder weniger redlich organisierten Holzschiern mit Riemenbindung, selbst aufgeschraubten Stahlkanten und selbst gekochtem Wachs. - Früher brauchte ein Schirennfahrer ein Drittel Mut, ein Drittel Talent und ein Drittel Kraft -, sagte er. - Bei den neumodernen Abfahrttspisten, die wie Autobahnen aussehen, kann einer auf Talent und teilweise auch auf Mut verzichten und muß sich bloß auf die Kraft der Beine konzentrieren. Heute entscheidet Kraft und die Ausstattung, ob ein Schirennfahrer Erfolg hat oder nicht. So ist es überall im Leben -, sagte er noch, dann rennt er davon, hinterläßt im Schnee die Abdrücke der Sohlen seiner Goiserer.

Ich werde ab heute an der gleissend hellen Weihnachtsdekoration und am Einkaufsrummel vorbeischauen. Mein Blick wird die Verlierer unserer Gesellschaft suchen. Diejenigen, die um ihre Existenz kämpfend, gezwungen sind zu improvisieren, um einen billigen Euphemismus zu strapazieren.
Improvisiert haben auch Maria und Josef, als Christi Geburt nahte. Jahrtausende vergehen, aber die soziale Gerechtigkeit bleibt unverändert. Irgendetwas stimmt bei diesem Vergleich nicht. Was wohl?

Heute werde ich meiner Weihnachtskrippe neue Figuren beifügen. Die des hageren Grünen Kilian, dessen verhärmten Weibes mit rotziger Kinderschar.

domingo, 6 de novembro de 2011

Mit jedem Auftauchen einer elektronischen Neuigkeit bemerke ich, daß ich alt geworden bin und mich längst im Herbst des Lebens herumtreibe.
Früher galten junge Menschen als unerfahrene Grünschnäbel und die ältere Generation als erfahren und weise. Kinder waren Anfänger, Erwachsene Fortgeschritene und Greise hoch geehrte und geschätzte Ratgeber.
Im Früling meiner Existenz assoziierten wir das Wort "Fortgeschritten" gerne mit jahrelangem Lernen und Üben; mit einem selbstbewußten, von Laien und Anfängern bewunderten Auftreten; mit den flinken Frauenhänden beim Knüpfen von Klöppelspitzen; mit den sonderbar gespitzten Lederlippen der Blasmusiker oder mit den muskulösen Gliedmaßen und an Maroniöfen erinnernden Oberkörpern von Gewichthebern und Hammerwerfern.
Andererseits wurden Anfänger im Lenz meines Lebens mit Schulranzen tragenden Tafelklasslern in Verbindung gebracht. Anfängern haftete die Mühe an, stundenlang Schönschrift zu üben, sowie schwerleibige "Kilonoten" auf und ab und über nicht enden wollende Tonleitern zu zerren.
Frühling und Sommer sind vorüber und Computer, sowie numerisch gesteuerte Werkzeugmaschinen und andere Roboter haben längst den Großteil aller händischen Fertigkeiten abgebaut und in die Altersrente geschickt. Ein bedeutender Teil unserer Muskeln und auch des Hirns, sind allein der Fernbedienung elektronischer Geräte zum Opfer gefallen. Windows, Gooogle und facebook sickern mit der Muttermilch in die Neugeborenen.
Kaum können die Kleinen gehen und ein "a" von einem "b" unterscheiden, sind sie auch schon keine Anfänger mehr, sondern "user"!
Alles was sie wissen müssen ist bereits vorgekaut und mundgerecht in Griffnähe.
Plötzlich springt uns alle Welt aus dem Monitor direkt in den Schoß. Internet macht alles möglich... wenigstens in einem virtuellen Universum. Die einstigen Tafelklassler manipulieren illustriertes Wissen, von dem die Experten erst unlängst kaum zu träumen wagten. Geschicktheit und besondere Fähigkeiten von Extremitäten, Lippen, Lunge und Stimmbändern dienen nur noch Sportlern und Künstlern, Akrobaten, Musikern, Sängerinnen und anderen Superstars und in Multimillionäre verwandelte Gaukler. Aber auch in diesem Bereich kommt uns die Maschine immer näher.
Es schaut nun wirklich so aus, als gebe es keine Anfänger mehr. Nur Fortgeschrittene wagen es, zur Abwechslung den Computer auszuschalten, aufzustehen und auf die Straße zu gehen.
Nur Fortgeschrittene denken an die Möglichkeit, ohne elektronische Logistik und GPS, auf eine geordnete Umwelt und soziale Gewißheit zu verzichten und mit kritischen Augen auszuziehen, um selbst das Fürchten zu lernen.
Als altender Beislwirt beobachte ich junge Pärchen, vor ihren Tellern und Gläsern sitzend, ein jeder, das iphone in der Hand, telefonierend.
Eine Form der Einsamkeit, die noch vor dreissig Jahren undenkbar gewesen wäre.
Nagt die virtuelle Welt tatsächlich an der Menschlichkeit, wie ich Oldtimer es seit einiger Zeit prognostiziere? Oder ist das nur ein Zeichen meiner Inkompetenz, all diese elektronischen Spielzeuge handzuhaben und zu nützen?
Heute verschickt kein Mensch mehr handgeschriebene Briefe. Es werden solche auch nicht mehr erwartet oder empfangen. Auf Ferienreisen kauft und verschickt auch keiner mehr Ansichtskarten aus Lignano Sabbiadoro, Paleokastritsa oder St. Pé de Bigorre. Briefmarken gehörten zum Universum anachronischer Philatelisten.
Urlauber verreisen heute mit notebook und eingebautger webcam, quatschen stundnelang über Skype und versenden Fotos und Filme per internet. Der mit GPS ausgerüstete Leihwagen führt den Lenker direkt bis zur Hotelpforte.
Nein danke!
Das alles brauche ich als alter Mensch nicht!
Anstatt per Skype gratis mit Daheimgebliebenen zu plaudern, sitze ich lieber irgenwo in einem Wirtshaus unter Einheimischen. Auch verlasse ich mich auf kein GPS. Da frag ich lieber die Passanten auf der Straße, auch wenn mir die meisten nicht helfen können, sondern mit osteuropäischem Akzent antworten. Während die alten Landsleute zu Hause vor dem Fernseher oder in einem asseptischen Einkaufszentrum herumlungern, freuen sich Bosnier und andere ehemaligen Yugoslawen anscheinend immer noch, in frischer Luft spazierengehen zu können, ohne Angst zu haben, über eine Tretmine zu stolpern.
So ein Flüchtling hat mehr mit mir gemein als die Eingeborenen.
Auf einmal ist es, als begegnete ich mitten im Herbst dem Frühling in Form von Menschen ohne diese ekelhafte soziale Gewißheit, die mir bei verhätschelten Österreichern, und mittlerweile auch bei vielen Brasilianern auf die Nerven geht.
November 2011
Reinhard Lackinger

sexta-feira, 12 de agosto de 2011

Neuer Weltrekord

Unlängst schrieb ich in meinem virtuellen und "henkellosen" Postkoffer, den ich an Habitués unseres Beisls in Salvador zu schicken pflege vom scheinbar lücken - und makellosen Leben in den sogenannten Industrieländern.

Ich erzählte von der geordneten Welt in Europa und in anderen reichen Nationen, wo praktisch keiner mehr auf Nachbarn oder Verwandte oder Freunde angewiesen wäre, und jeder alleine in seinen eigenen Vierwänden hauste.

Dabei behaupte ich sogar, daß ein jeder Mitteleuropäer seinen Alltag verbringen kann, ohne mit irgendeinem Mitmenschen interagieren zu müssen.
Ein jeder sei in seiner unsichtbaren Blase sicher, konstatiere ich!

Hier in Salvador, Bahia, Basilien und in der Dritten Welt schaut der Alltag anders aus, sagte ich. Viele suchen Unterschlupf in ummauerten, befestigten und klimatisierten Bauten; in Wohnburgen und Shopping Malls.
Auf die Dauer gelingt es aber keinem, dem Heer der Armen zu entkommen, die fortwährend und in Scharen aus Elendsvierteln dringen. Die chaotischen Zustände einer mangelhaften Urbanisierung zwingen uns andauernd mit allen möglichen Mitmenschen zu verkehren und zu interagieren. Sowohl mit angenehmen Menschen, als auch mit üblem Pack auf den Straßen.
Was uns auf den ersten Blick lästig erscheint, entpuppt sich als ein Elixier der Glückseligkeit; ist gut, billig und heilsam! Ob es auch würdig, also menschenwürdig und recht ist, will ich bezweifeln!
Wir müssen mit dem Nächsten interagieren, ob wir wollen oder nicht! In einem Schwellenland hängt das weitere Leben davon ab, wie wir den Mitmenschen begegnen.

Das sagte ich, als die Zeitung von einem verwesten Schweden erzählte, der drei Jahre lang in seiner Wohnung lag, ehe er entdeckt wurde.
In Brasiien würde so etwas wegen der sich überstürzenden Kontakte und dem steten Zwang zum Miteinander nie geschehen.

Wenige Wochen später las ich im Internet von einem Kadaver aus Sydney, dem es gelang, den Weltrekord des Schweden um ganze fünf Jahre zu überbieten.